Mißhandlungen und Mord in Mühlheim

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6. April 1920

Am 6. April, 15 Uhr, wurde in Essen – Holsterhausen (westlicher Arbeitervorort von Essen) der bei Krupp beschäftigte Arbeiter Engelbert Kläs auf dem Weg von der Arbeit nach Hause als Spartakist denunziert und von Mannschaften der Marinebrigade Loewenfeld festgenommen. Kläs war Mitglied der örtlichen Arbeiterwehr gewesen; am 2. April hatte er sein Gewehr auf dem Polizeipräsidium abgegeben. Zusammen mit Johann Schürmann , ebenfalls aus Essen – Holsterhausen, wurde er unter Mißhandlungen nach Mülheim – Heißen (östlicher Arbeitervorort von Mülheim ) zu einem Lokal geführt, in dem ein Standgericht unter Vorsitz eines Leutnants tagte (möglicherweise handelte es sich auch in diesem Fall um Linzemeier). Die beiden und drei andere wurden zum Tode verurteilt und anschließend durch Kolbenschläge und Schüsse in Kopf und Bauch getötet, die Leichen wurden zum Teil grauenhaft verstümmelt (u.a. die Augen ausgestochen) und auf einen Platz gegenüber der Zeche ,, Humboldt “ (auf der Stadtgrenze zwischen Mülheim und Essen ) gelegt; das macht den Eindruck,  als habe man die zur Arbeit gehenden Bergleute einschüchtern wollen.

Dasselbe Standgericht verurteilte dann noch sechs Arbeiter aus Mülheim-Heißen zum Tode. Die ähnlich zugerichteten Leichen (Schädel und Arme zerschmettert, bei einem der Bauch aufgeschlitzt, bei einem anderen die Augen ausgestochen,  wurden an zwei Stellen auf einem Acker etwas abseits der Straße notdürftig vergraben. Am nächsten Morgen entdeckten spielende Kinder die eine Stelle: drei Hüte, ein aus der Erde ragender nackter Fuß, eine Blutlache. Bei den drei Leichen, die man ausgrub, fehlten die Schuhe; keine Identifikationspapiere, nur eine Kontrollmarke der Firma bei einem Toten.

Am frühen Nachmittag stieß der Knecht eines Bauern beim Pflügen auf die andere Stelle — aus der Erde herausragende Füße, daneben ein zerbrochenes Gewehr. Zuschauer konnten die ausgegrabenen Toten trotz der zertrümmerten Schädel sofort als Einwohner von Heißen identifizieren (Hermann Buhmeyer , Hütter , Johann Reiber ), Sie waren Mitglieder der Roten Armee gewesen; am 1. April hatten sie ihre Waffen in der Kaserne abgegeben. —

Am 8. April erhielt die Mutter von Kläs von einem Kriminalbeamten die Nachricht, ihr Sohn befinde sich im Rathaus Mülheim. Dort gab man ihr zunächst den Hut ihres Sohnes: vorn durchgeschlagen, drinnen blutige Reste von Verbandszeug und Teile des Gehirns. Zum Alten Friedhof geführt, fand sie dort die Leiche ihres Sohnes, ,,mit einer klaffenden, furchtbaren Stirnwunde, die den Kopf fast in zwei Hälften gespalten hatte und bis zum Munde reichte“. Die Geldbörse war geraubt.

Quelle: prot. Aussage von H. Kläs , in RE , 1920-04-10; E. Müller an Severing , 1920-04-10, u. Obermeyer an Severing , 1920-04-11, beides in NL Severing : A 3; Vtr , 1920-04-12 (Nachdruck aus VZD ); VstH , 1920-04-13; Düwell , S. 46 f.; Gumbel , Mord, S. 60; Mh GA u. Mh Ztg , 1920-04-08; prot. Aussage von Schuldensky , 1920-04-11, in NL Severing : A 3 = BA: R 43 I / 2728, Bl. 136-138; Ernst , S. 75.

Als Name des Leutnants wird in den Quellen teils Sinnesheimer , teils Steiner genannt; Ungenauigkeiten in diesem Punkt sind wegen der Umstände wahrscheinlich. Für die Auflösung der Zusammenhänge ist wichtig, daß von acht Toten, die gegenüber der Zeche ,,Humboldt“ gefunden wurden, drei mit Erde verschmiert waren (das waren die zuerst auf dem Acker ausgegrabenen), dagegen fünf nicht (H. Kläs , a.a.O.), ferner daß am 7. April acht Leichen in die Halle des Alten Friedhofs von Mülheim gebracht wurden (Mh GA, 1920-04-08). Nach Düwell , S. 46, gehörten die Mörder zu den 9. Jägern , nach Vtr , VstH und dem Bericht Ernst Müllers an Severing (a.a.O.) trugen sie die Nr. 147; beides konnte anhand der erreichbaren Quellen nicht mehr identifiziert werden. Brauer , S. 101, behauptet, es seien Mitglieder der Marinebrigade Loewenfeld gewesen. –

alle Angaben nach Lucas : Märzrevolution III (1978)