Beispiele für das Verschweigen der Märzrevolution 1920

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5. Mai 2011

Hier einige Beispiele, wie in der Deutschen Öffentlichkeit die Vorgänge im März und April 1920 verschwiegen oder verharmlost werden, als im ganzen Land mehrere zehntausend bewaffnete Arbeiter für mehrere Wochen gegen die Errichtung einer Militärdiktatur kämpften und etwa 1000 von ihnen nach Beendigung der Kämpfe ermordet wurden:

  • Deutsches Historisches Museum Berlin, Dauer-Ausstellung (Stand April 2011)
    4 Fotos und 5 Faksimiles, in der Multimedia-Präsentation zur Weimarer Republik keine Bilder.
  • In dem dort überall ausliegenden Buch „Deutsche Geschichte in Bildern und Zeignissen , herausgegeben vom Deutschen Historischen Museum 2009, ISBN: 978-3-938832-55-4 gar nichts!
  • Auf der Webseite des Deutschen Historischen Museums (Stand: 10.9.2018) steht zum Kapp-Putsch:“Der Putsch war nach vier Tagen beendet. Entscheidend für das Scheitern des Staatsstreichs war die Weigerung der Ministerialbürokratie, den Anordnungen Kapps Folge zu leisten. Zudem zeigte auch der Generalstreik mit dem Zusammenbruch der öffentlichen Dienstleistung verheerende Wirkung“. Bemerkenswert die Wortwahl: „Verheerende Wirkung“ – und entscheidend waren laut DHM die zumeist noch kaiserlichen Ministerialbeamten, nicht der Generalstreik.  Immerhin gibt es einen –  vom Kampf gegen den Kapp-Putsch gesonderten Link – zu einer speziellen Seite zur Märzrevolution 1920, auf der die Massenexekutionen durch rechtsextreme Freikorps als „Höchstmaß an Grausamkeit auf beiden Seiten“ relativiert werden, dem 1000 Aufständische „zum Opfer fielen“. (DHM). Die Legende von den Grausamkeiten „auf beiden Seiten“ ist widerlegt, die Grausamkeiten gingen hauptsächlich von Reichswehr und Freikorps aus.
  • ARD-Serie „Rote Erde“ – nichts! Die erste Staffel der überaus erfolgreichen Fernsehserie endet mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, die zweite Staffel beginnt aber erst 1923 (!). Die Kriegsjahre, die Revolution, der Generalstreik gegen den Putsch? Wird nicht erzählt.

Hingegen gibt es auch Quellen, die deutlich die Rolle der Arbeiterschaft beim grössten Generalstreik der deutschen Geschichte benennen, zB:

  • Wikipedia: „Einen großen Anteil am Scheitern des Putsches hatte, neben der bewaffneten Gegenwehr der Proletarier und Uneinigkeit der Militärs über die eigentliche Zielsetzung des Putsches, unzweifelhaft der Generalstreik – der größte in der deutschen Geschichte.“ […] „Dieser Generalstreik erfasste am Sonntag, dem 14. März, bereits vollständig Berlin und breitete sich am Montag über die ganze Republik aus. Es gab keinen Eisenbahnverkehr, in den Städten keine Straßenbahnen und Busse, keine Post, keine Telefonvermittlung, keine Zeitungen, alle Fabriken und alle Behörden waren geschlossen. In Berlin gab es nicht einmal mehr Wasser, Gas oder elektrisches Licht. Dieser Generalstreik führte zur völligen Lahmlegung der öffentlichen Versorgung und führte den Putschisten schnell die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens vor Augen. Er nahm ihnen jede Möglichkeit zu regieren.“
  • Die Zeit:  „Der Kapp-Putsch scheiterte am entschlossenen Widerstand der Arbeiterschaft.“
  • Historisches Lexikon Bayern: „Nach anfänglichen Erfolgen brach der Umsturzversuch in dem von der Reichsregierung und den Gewerkschaften initiierten Generalstreik zusammen.“

Einig sind sich viele Autoren darin, dass der anfängliche Generalstreik in einen kommunistischen Aufstand umschlägt, nachdem der Putsch scheiterte. Dabei ist auch nach der Niederlage der Putschisten ein breites Bündnis für die Weiterführung des Generalstreiks, Arbeiter und Angestellte aus SPD, USPD, christlichen Gewerkschaften, von Anarchisten bis zu Kommunisten bis zum deutschen Beamtenbund. Ihre berechtigte Sorge ist, dass die Täter straffrei ausgehen könnten und dass Putschisten in Republikfeinde weiterhin in hohen Positionen verbleiben, unter anderem fordern sie eine gründliche Reform der Reichswehr, die nicht gegen die Putschisten vorgegangen war.

Die Forderungen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände und des Deutschen Beamtenbundes vom 18. März 1920 lauten

  1. Entscheidender Einfluß der genannten Arbeitnehmerverbände auf die Umgestaltung der Regierungen im Reich und in den Ländern sowie auf die Neuregelung der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetzgebung.
  2. Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am Putsch beteiligten Truppen und Bestrafung aller Personen, die am Sturz der legalen Regierung beteiligt waren oder sich als Beamte des Reichs, der Länder oder Gemeinden ungesetzlichen Regierungen zur Verfügung gestellt haben.
  3. Sofortiger Rücktritt des Reichsministers Noske sowie der preußischen Minister Oeser und Heine.
  4. Gründliche Reinigung der gesamten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von allen reaktionären Persönlichkeiten, besonders solchen in leitenden Stellungen, und deren Ersatz durch zuverlässige Kräfte.
  5. Wiedereinstellung aller in öffentlichen Diensten gemaßregelten Organisationsvertreter.
  6. Schnellste Durchführung der Demokratisierung der Verwaltungen unter Zuziehung und Mitbestimmung der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten.
  7. Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze, die den Arbeitern, Angestellten und Beamten volle soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung gewährleisten.
  8. Schleunige Einführung eines freiheitlichen Beamtenrechts.
  9. Sofortige Sozialisierung des Bergbaus und der Kraftgewinnung, Übernahme des Kohlen- und Kalisyndikats durch das Reich.