Ein Massenmord mit schätzungsweise rund 1.000 Toten

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24. April 1920

Ende März 1920 war unter den Aufständischen bis auf kleine Minderheiten die Erkenntnis allgemein, daß die Bewegung abgebrochen werden müsse; von einer einzigen Region aus, und war sie im Rahmen der deutschen Gesamtwirtschaft auch noch so wichtig, ließen sich die politischen Verhältnisse im Deutschen Reich nicht verändern. Die Selbstauflösung der Aufstandsbewegung lag zum Greifen nahe.“

„Diese Möglichkeit wurde jedoch sowohl von der Reichsregierung als auch von der Reichswehr ausgeschlagen und zerstört. Die Regierung entschied sich für den militärischen Einmarsch ins Industriegebiet und zwar – was besonders folgenreich war – für den Einmarsch sämtlicher Truppen, die im ganzen Reich irgendwie verfügbar waren. Darunter waren nicht wenige Freikorps und andere Truppeneinheiten, die den Militärputsch mitgetragen hatten.

Es war von der  Reichsregierung ein fast unbegreiflicher Zynismus, aber auch ein Ausdruck geringer Selbstachtung, diese Truppen noch einmal in Dienst zu nehmen, vor denen sie vor wenigen Tagen hatte fliehen und um ihre Existenz kämpfen müssen. Zynisch war diese Entscheidung gegenüber denen, die Opfer des militärischen Einsatzes werden würden, denn es war genau bekannt, welche Brutalitäten von diesen Truppen zu erwarten waren.

Die Truppenkommandeure vor Ort verschärften die Situation noch zusätzlich dadurch, daß sie selbst die von der Regierung und von Carl Severing gesetzten letzten Fristen für die Waffenabgabe ignorierten. Sie handelten nach der Devise: mit Roten wird nicht verhandelt, Abmachungen sind von vornherein null und nichtig. Das konkrete Vorgehen war also bestimmt von der Annahme eines rechtsfreien Raumes und von der Vogelfreierklärung des Gegners.

So endete die Aufstandsbewegung nicht in einer allgemeinen freiwilligen Abgabe der Waffen, sondern in einem Massenmord mit schätzungsweise rund 1.000 Toten -Ermordete, nicht Gefallene, weil die allermeisten erst nach dem eigentlichen Kampfgeschehen getötet wurden. Darunter übrigens auch Frauen, die zur Roten Armee gehört hatten, als Krankenschwestern etwa oder als Köchinnen; es gab Truppen. die besonders scharf auf diese – wie es hieß -»roten Huren« waren. 1000 Ermordete -eine solche Hypothek kann von eirer Militärdiktatur verkraftet werden, aber eine Demokratie überlebt sie nicht auf die Dauer.

Die Morde von Reichswehr und Freikorps-Soldaten

Erhard Lucas , 1990