Warnung vor Militäraktion von rechts

Start » Novemberrevolution 1918/19 » Kapp-Putsch »

10. März 1920

„Schon auf dem Parteitag (3. Parteitag der KPD, der am 25. und 26. Februar 1920 illegal in Karlsruhe und Durlach stattfand) wurde entwickelt, daß der Verlauf der Auslieferungskrise die inneren Machtverhältnisse in Deutschland so wenig beim alten gelassen hat, wie das Verhältnis Deutschlands zu den Ententemächten.

Eine ganze Reihe von Vorfällen (Hindenburgs Kandidatur, Prozeß Erzberger, die Exzesse im Hotel Adlon, der Fall Bremen , der Fall Baden-Baden ) zeigen deutlich an, daß die militärische Gegenrevolution im raschen Vordringen begriffen ist und daß sie einen Widerstand um den anderen wegfegt.

Nicht nur, daß sie über die bewaffnete Macht verfügt ( Reichswehr , Einwohnerwehren , Hilfspolizei usw.), sie verfügt ebenso heute über die obere und mittlere Bürokratie, über die Gerichte, über die zünftige Intelligenz, über den größten Teil der Presse, und selbst das Parlament, die Grundlage der Koalitionsregierung, ist innerlich erschüttert.

Alle die einzelnen Vorstöße, die das Ludendorff-Lager unternimmt, haben nicht nur das Ergebnis, daß schrittweise das politische Terrain erkundet wird, sie haben auch die Wirkung, der Koalitionsregierung die sozusagen moralische Grundlage unter den Füßen wegzuziehen und die Autorität der Mächte der Wilhelminischen Zeit Stein um Stein aufzubauen.

Diese Entwicklung hat innerpolitisch ein so rasches Tempo angenommen, daß die revolutionäre Arbeiterklasse sich auf überraschende Aktionen der militärischen Gegenrevolution gefaßt machen muß.

Es kann sich dabei natürlich auf Seiten der revolutionären Arbeiter nicht um irgendwelche technischen Vorbereitungen handeln. Es gilt vielmehr in der Propaganda und Agitation die Arbeiter auf den Ernst der inneren Lage hinzuweisen.

Die militärische Gegenrevolution arbeitet sich zunächst mit den Mitteln, die ihnen die demokratische Verfassung bietet, vorwärts. Sie rechnet darauf, in den kommenden Reichstagswahlen sowie in der Präsidentenwahl einen entscheidenden Schritt vorwärts zu tun. Es hieße blind sein, wenn man nicht sehen wollte daß die große Masse des großen, mittleren und kleineren Bürgertums und der Bauernschaft sich im raschen Tempo der Linie Hindenburg – Ludendorff wieder nähert.

Wenn jedoch die militärische Gegenrevolution sich zunächst mit den Mitteln, die ihr die Einrichtungen der Republik an die Hand geben, vorwärts arbeitet, so wäre es jedoch eine grobe Täuschung, zu glauben, daß damit die Mittel der Gewalt für sie ausscheiden.

Gleichzeitig mit der Propaganda und Vorarbeit auf sogenanntem demokratischem Weg geht Hand in Hand die systematische Vorbereitung von Pogromen und Putschen größten Stils. Die geschichtliche Erfahrung zeigt, daß der Bonapartismus, der mit dieser gegenrevolutionären Bewegung in erneuter Gestalt in Deutschland seinen Einzug hält, diese beiden Mittel, die brutale Gewalt und die Demokratie, vereinigt.

Die militärische Gegenrevolution, wie jede wirkliche Macht, läßt sich in ihrer Aktion von demselben Grundsatz leiten, den die Partei in ihren taktischen Leitsätzen formuliert hat: daß sie nämlich kein politisches Mittel ausschließt, sondern alle zu gegebener Zeit und am gegebenen Ort anwendet.

Über die politischen Gesichtspunkte, die für unsere Partei für den Fall einer gewaltsamen Aktion der militärischen Gegenrevolution maßgebend sind, haben wir uns in einem früheren Rundschreiben sowie in der Presse geäußert. Diese Richtlinien haben heute nichts von ihrer Bedeutung verloren.“

Quelle: Warnung an die Parteiorganisationen durch die Zentrale der KPD vor überraschenden gewaltsamen Aktionen der militärischen Konterrevolution – Berlin, 10. März 1920. Die Rote Fahne v. 12. März 1920. Rundschreiben. Unterzeichnet: Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund). –
in Arbeiterbewegung rettet die Republik