Verordnung des Generals Lüttwitz gegen den Generalstreik

Start » Novemberrevolution 1918/19 » Kapp-Putsch »

15. März 1920

Verordnung zur Sicherstellung volkswirtschaftlich wichtiger Betriebe. Alle Leben, Gesundheit und Sicherheit des deutschen Volkes gefährdenden Arbeitseinstellungen müssen verhindert, böswillige Störung volkswirtschaftlich wichtiger Betriebe mit der Strenge des Gesetzes bestraft werden.

Es wird daher verordnet:
§ 1. Die in volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben beschäftigten Personen (Arbeiter und Angestellte) dürfen, außer im Falle nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit, weder die Arbeit niederlegen, verweigern, von dieser fernbleiben oder es unternehmen, durch ihr Fernhalten die Erreichung des Arbeitszweckes zu vereiteln noch die Arbeitsstelle ohne Zustimmung des Arbeitgebers oder Vorgesetzten wechseln. „,“§ 2. Volkswirtschaftlich wichtige Betriebe im Sinne dieser Verordnung sind:
a) die Bergwerke und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Betriebe,
b) die Eisenbahnen, elektrische Bahnen, Hoch- und Untergrundbahnen, die Schiffahrt, das Transportgewerbe, Post-, Fernsprech-und Telegraphenämter,
c) die Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke,
d) die landwirtschaftlichen und ihre Nebenbetriebe,
e) die der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln dienenden Gewerbe.
§ 3. Während der Geltung dieser Verordnung darf eine Änderung der Arbeitszeit oder des Arbeitslohnes zu Ungunsten der volkswirtschaftlich wichtigen Betriebe nicht stattfinden.
§ 4. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Bestimmungen werden, soweit nicht nach dem Gesetz eine höhere Strafe verwirkt wird, mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft.
§ 5. Wer unternimmt, volkswirtschaftlich wichtige Betriebe oder ihr Zubehör zu beschädigen oder zu zerstören, wird mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft.
§ 6. Wird dem Arbeiter oder Angestellten die Benutzung einer Wohnung als Vergütung auf Grund des Arbeits- oder Ange-stelltenverhältnisses gewährt, so ist der Arbeitgeber im Falle der Zuwiderhandlung des Arbeiters oder Angestellten gegen die Bestimmungen dieser Verordnung zur fristlosen Kündigung und Ausweisung berechtigt.
§ 7. Der Arbeiter oder Angestellte verliert im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung dieser Verordnung jeden Anspruch auf Erwerbslosenunterstützung.
§ 8. Zur Aburteilung der Zuwiderhandlung gegen diese Verordnung sind die außerordentlichen Kriegsgerichte zuständig. Der Reichskanzler bestimmt den Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieser Verordnung

Berlin, 15. März 1920. DZA Merseburg, Rep. 90 a Abt. D Tit. 1 Nr. 29 Bd. I, Bl. 34′
Unterzeichnet: Der Militäroberbefehlshaber v. Lüttwitz , General der Infanterie. WTB,
Mitteilungsbl. v. 15. März 1920, Früh-Ausgabe. —

(In der ,,Verordnung zum Schütze des Arbeitsfriedens“ vom gleichen Tage wurden den streikenden Arbeitern zusätzlich Zwangsarbeit und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte angedroht. (Vgl. ebenda. BI. 39.)
Eine weitere Verordnung verhängte sogar die Todesstrafe. —
in Arbeitereinheit rettet die Republik (1970)