Köpenickiade im Großen

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14. März 1920

Es ist nicht wahr, daß die verfassungsmäßige Reichsregierung abgedankt hat. Die verfassungsmäßige Reichsregierung denkt nicht daran, abzudanken, sie hat nur dasselbe getan, was sie im Februar 1919 tat, als sie nach Weimar übersiedelte. Um ruhig und klar arbeiten zu können, ist sie nach Dresden übergesiedelt und nimmt mit dem Zusammentritt der Nationalversammlung ihren Sitz in Stuttgart. Was in Berlin vorgeht, ist eine Köpenickiade im Großen.

Die Berliner müssen sich den politisch klaren Blick bewahren. Für die Köpenick-Regierung besteht keine Möglichkeit, zu regieren. Ihr Gebäude ist innen hohl, sie kann weder Kohlen noch Lebensmittel schaffen. Ohne Arbeiter kann man nicht regieren, Berlin kann nicht von sich selbst leben. In wenig Tagen bricht dieses System zusammen. Wer es unterstützt, zieht den Fluch der Verantwortung auf sich.

Beamte, Euch bindet nicht nur die politische Einsicht, sondern auch der Eid auf die Verfassung. Ihr habt nur den befehlen der verfassungsmäßigen Regierung zu gehorchen. Wer die neue Regierung unterstützt, bricht seinen Eid. Es ist nicht wahr, daß die Beamten am 9. November 1918 das gleiche taten. Damals dankte der Kaiser ab. Der vom Kaiser eingesetzte Reichskanzler Prinz Max von Baden gab nach der Abdankung des Kaisers seinen Rücktritt und übertrug alsdann die Reichskanzlerschaft auf den jetzigen Reichspräsidenten Ebert . Er forderte die Beamten auf, der neuen Regierung zu gehorchen.

Heute hat die Reichsregierung nicht abgedankt. Die Usurpatoren sind von keiner bevorzugten Stelle eingesetzt. Wer ihnen dient, wird entlassen. Die Mehrheitsparteien stehen fest zusammen. Kapp, von Jagow und Genossen finden keinen Widerhall im deutschen Volke. Für sie war schon die „Deutsche Tageszeitung“ ein radikales Linksblatt, das sie verbieten mußten.

Und das Ausland? Eine Militärdiktatur, eingesetzt von den Baltikumtruppen und der reaktionärsten preußischen Militärpartei, sie wird uns keine Erleichterung des Friedens, keine wirtschaftliche Hilfe bringen. Die der verfassungsmäßigen Regierung in Aussicht gestellten großen Entente-Anleihen werden Kapp und Genossen nicht gewährt werden. Der Wert des deutschen Geldes, der eben mit starkem Ruck in die Höhe ging, fällt tiefer denn je.

Sorge jeder dafür, daß diese Militärdiktatur so schnell wie möglich zusammenbricht. Sämtliche Landesregierungen, die westpreußischen Oberpräsidien, die Zantralverbände der deutschen Arbeiter und Angestellten, die staatlichen Unterbeamten, der Reichswirtschaftsverband deutscher Berufssoldaten mit 96000 Mitgliedern, sämtliche süddeutschen Reichswehrteile und eine Reihe preußischer, darunter das besonders wichtige Wehrkreiskommando Watter (Ruhrbezirk) stehen fest hinter der verfassungsmäßigen Regierung.

Dresden , 14. März 1920

Der Reichspräsident: Ebert .
Die Reichsregierung: Bauer , Müller , Koch , Giesbers , Noske , Geßler , David –