Berlin

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22. August 1846

Georg Herwegh gewidmet

Vorwort

Da Sie, verehrter Freund, mir erlaubt haben Ihren Namen dieser Arbeit voranzustellen, so bin ich verpflichtet, das Thema derselben mit einigen Worten vor Ihnen zu rechtfertigen. Die vorliegenden Bände enthalten sowohl äußere Beobachtungen wie Studien innerer Verhältnisse, welche der Verfasser während eines zweijährigen Aufenthalts in Berlin gemacht. Daß die letzteren, obwohl nicht speziell Berlin, sondern vielmehr allgemein die Gegenwart berührend, in den Rahmen Berlin mit hineingeschoben sind, geschah weder zufällig noch ohne innere Notwendigkeit. weder ist die Schilderung von Berliner Zuständen willkürlich zum Anlaß geworden, Studien über große Lebensprinzipien daranzuknüpfen, noch auch und dies am allerwenigsten hat das Studium dieser Verhältnisse zum Vorwand und zur Ausbeute einer zufälligen Äußerlichkeit wie eines Aufenthaltes in Berlin gedient

Der Verfasser hegt vielmehr die Überzeugung daß sich an Berlin die ganze gegenwärtige deutsche Bewegung knüpft. Der Riß welcher durch alle unsere gesellschaftlichen Verhältnisse geht und nicht mehr wie früher die Kasten und Stände bloß untereinander sondern in sich selbst und in ihrem innersten Leben trennt ist unleugbar ebenso unleugbar aber auch daß diese gesellschaftliche Verwirrung mit ihrer Unnatur von Ungleichheit Pauperismus und Verbrechen, welche täglich weiter um sich greifen und alle Bande des Staates der Familie und der Moral lösen, nicht länger fortbestehen kann und daß die Bewegungen auf diesem Gebiete den Vorabend einer großen gesellschafttichen Krisis bezeugen. Diese Bewegungen aber werden für Deutschland in Preußen ihren Anstoß erhalten.Preußen ist Deutschland und Berlin Preußen. Nicht daß Preußen als protestantischer Staat die Bahn eröffnen werde, von einem stabilen Protestantismus in kirchlichen Schranken ist nichts zu erwarten, sondern die gegenwärtige Regierung ist eigens dazu berufen, durch ihre Reaktion die Krisis schneller herbeizuführen.

Dies war der Grundgedanke, von welchem der Verfasser bei dem vorliegenden Werk ausging, und hoffentlich wird der Inhalt denselben rechtfertigen- Die beiden ersten Kapitel werden zumeist nur oberflächliche Leser interessieren, wie sie denn auch bestimmt sind, äußere oberflächliche Urteile über Berlin zu berichtigen. Das dritte bis siebente Kapitel enthalten Studien über die innern Verhältnisse der gegenwärtigeu Gesellschaft und ihnen schließen sich die letzten Kapitel ergänzend im Einzelnen an. Ohne Zweifel ist manches Mangelhafte vielleicht in Einzelheiten und Äußerlichkeiten auch Irrtümliche darunter, dies kann auf das Ganze keinen Einfluß üben. Die Kritik wird hoffentlich so ehrlich sein, die Mängel den schwachen Kräften des Verfassers zuzuschreiben, nicht aber dieselben gegen die hierbei von ihm vertretene Richtung auszubeuten.

Nehmen Sie verehrter Freund, das Buch als das was es ist, als das ernste Bestreben zur Erkenntniß der Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Verhältnisse beizutragen. Ich überreiche Ihnen, das was ich zu bieten vermag als ein Zeichen aufrichtiger Verehrung und Freundschaft

Im August 1846, Ernst Dronke

Inhalt

Auf den Straßen

Einleitendes Vogelperspective die große Stadt Charakteristik der Aeußerlichkeit das Volkeelement der Berliner Witz die Kritik und das Heilige die Philister die Seifenblase Physiologie des Philisters die Affiches die sogenannten höheren Stände die Créme der Gesellschaft das diplomatische Corps der Hof die verschiedenen Stadtviertel

II Oeffentliches Leben

Am frühen Morgen die Grisette möblirte Stuben und Schlafstellen Speisehäuser und Keller öffentliche Vergnügungen die Flaneurs die Restaurationen und Salons haben sie warm gespeist die Spieler die Orgien das Leben in der Nacht

III Moral und Sitten

Die Demoralisation im Allgemeinen das auflösende Element die Ehe Wo das Moralische überhaupt zu suchen ist die Politik die Religion die Polizei die Emancipirten

IV Die Staatsregierung

Einleitung das Wesen des Staates überhaupt Preußens Stellung der vorige König Geschichte der letzten 5 Jahre Resumé das christlich germanische Prinzip und die Entwicklung des Volksbewußtseins die politische Poesie die Presse Reformversuche auf religiösem Gebiet Theilnahme an der Politik die sozialen Fragen 1840 und 1846