Brennende Ruhr – Vorwort

Start » Novemberrevolution 1918/19 » Kapp-Putsch » Brennende Ruhr – Vorwort »

13. März 1928

Es trat der merkwürdige Zustand ein, daß der Autor die Schauplätze, auf denen er seiner Phantasie freien Lauf gelassen hatte, nachträglich fast genau so vorfand, wie er sie beschrieben hatte. Ich war direkt erschüttert, sogar die Stadt Swertrup an derselben Stelle, wohin sie meine Schau verlegt hatte — nämlich in Sterkrade –, wiederzufinden.

Interessant waren die Zuschriften, die damals aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei kamen. Dankbar zustimmende waren darunter, aber auch sehr kritische von solchen, die in dem Roman ihre Partei zu Unrecht angegriffen sahen. So teilte die Geraer Volksbuchhandlung mit, daß sie fortan alle Bücher des Greifenverlages, der solch „“tendenziöse Machwerke““ herausbringt, boykottieren werde. Und August Siemsen schrieb in seinem Halbmonatsheft, „“daß ihn das Buch einerseits gepackt habe, weil es aus dem starken Miterleben eines Klassenkämpfers komme, der mit dabei war““ . . . andererseits aber bedauerte er, „“daß darin die Sozialdemokraten in der üblichen Weise als Verräter erscheinen““.

Erscheinen sie wirklich so? Die Hauptfigur im Roman ist ein sozialdemokratischer Werkstudent, der sich trotz allen Schwankens durchaus anständig und tapfer benimmt. Selbst nach dem bitteren Finale ist er keineswegs ein zum Kommunismus bekehrter Saulus (das ist, nebenbei bemerkt, sogar den Kritikern aufgefallen, die mir ablehnend gegenüberstanden). Aber der Leser weiß am Schluß das eine: „“Wenn es wieder einmal um die Rechte und Freiheiten seines Volkes geht, dann steht auch dieser Kämpfer wieder an der Seite seiner gestrigen Kameraden!““ Genau so verhält es sich mit einer ganzen Reihe weiterer sozialdemokratischer Romanfiguren. Ich habe sie nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen progressiv gestaltet, sondern weil es sie wirklich so gegeben hat.

Daß Gestalten wie Noske, Severing, Mehlich und andere mehr nicht dazu gehörten, ist bedauerlich, aber nicht die Schuld des Autors, der sich streng an die Historie hielt. Die verhängnisvolle Rolle, die diese Führer der SPD damals spielten, liegt heute, nach achtundzwanzig Jahren, klar und offen vor der Geschichte. Ich weiß nicht, ob August Siemsen, bei dem mein Werk so widersprechende Gefühle auslöste, heute noch lebt. Ich glaube aber, daß er heute zu einem ganz anderen Urteil käme. Und mit ihm so mancher andere, der sich damals, völlig zu Unrecht, auf den Schlips getreten fühlte.

Der Kapp-Putsch-Roman „“Brennende Ruhr““ wurde in ein halbes Dutzend Fremdsprachen übersetzt. In den USA und in Schweden wurde er nur durch Zeitungsabdrucke bekannt, in der Sowjetunion aber kam es zu einem Bucherfolg, wie ich ihn mir nie erträumt hätte. Da der Roman dort in etwa 400 000 Exemplaren verbreitet und auch verfilmt wurde, gibt es unter unseren sowjetischen Besatzungstruppen nur wenige, die ihn nicht kennen.

Dennoch hat mich keine Anerkennung mit mehr Freude und Genugtuung erfüllt als jene, die ich 1933, während der schwersten Zeit meines Lebens, im KZ Sonnenburg, erhielt. Es war in einer Massenzelle, abends nach dem Einschluß. Jemand machte den Vorschlag, reihum zu erzählen, wie man zur revolutionären Bewegung gekommen sei. Und da erzählte ein junger Landtagsabgeordneter, ein früherer sozialdemokratischer Postbeamter aus Halle: „“Mir gab jemand den Roman .Brennende Ruhr‘ in die Hand; da fiel es mir wie Schuppen von den Augen … und deshalb sitze ich heute hier.““

Karl Grünberg, 1948 –
Zur Zeit des Erscheinens dieser Auflage liegen noch Buchausgaben in polnischer, tschechischer und rumänischer Sprache vor.