Programm der Putschisten

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13. März 1920

Reich und Volk sind in schwerer Gefahr. Wir nähern uns mit rasender Geschwindigkeit dem vollkommenen Zusammenbruch des Staates und der Rechtsordnung. Das Volk fühlt nur dumpf das kommende Unheil. Die Preise steigen unaufhaltsam. Die Not wächst. Hungersnot droht. Korruption, Wucher, Schieberei und Verbrechen treten mit immer größerer Frechheit auf. Die autoritätslose, ohnmächtige und mit der Korruption verschwisterte Regierung ist nicht imstande, die Gefahr zu beschwören. fort mit einer Regierung, in der ein Erzberger der führende Geist ist.

Vom Osten droht uns Verwüstung und Vergewaltigung durch den kriegerischen Bolschewismus. Ist diese Regierung imstande, ihn abzuwehren? Wie entgehen wir dem äußeren und inneren Zusammenbruch? Nur indem wir eine starke Staatsgewalt wieder aufrichten.

Welche Idee soll uns dabei leiten? Keine Reaktion, sondern eine freiheitliche Fortbildung des Deutschen Staates, Wiederherstellung der Ordnung und der Heiligkeit des Rechtes. Pflicht und Gewissen soll wieder in deutschen Landen regieren. Deutsche Ehre und Ehrlichkeit soll wiederhergestellt werden.

Die ohne Mandat weiter regierende Nationalversammlung erklärt sich in Permanenz. Verfassungswidrig schiebt sie die Wahlen bis in den Herbst hinaus. Statt die Verfassung zu hüten, die sie erst feierlich beschlossen hat, will eine herrschsüchtige Parteiregierung schon heute dem Volk das wichtige Grundrecht der Präsidentenwahl entziehen.

Die Stunde der Rettung Deutschlands geht verloren; darum bleibt kein anderes Mittel übrig als eine Regierung der Tat. Welches sind die Aufgaben, die sich die neue Regierung stellt?

  • Die Regierung wird den Friedensvertrag unter Wahrung der Ehre des deutschen Volkes und seiner Lebens- und Arbeitsfähigkeit ausführen, soweit es möglich ist und nicht Selbstvernichtung bedeutet.
  • Die Regierung wird die Finanz- und Steuerhoheit der Bundesstaaten, die sie zur selbständigen Erfüllung ihrer Kulturaufgaben nötig haben, auf verfassungsmäßig föderativer Grundlage wiederherstellen.
  • Die Regierung wird die Kriegsanleihen als gerechte Gegenleistung für treu erfüllte vaterländische Pflicht sicherstellen und ihre demnächstige Rückzahlung einleiten.
  • Die Regierung wird zur Wiederaufrichtung des Staates den ländlichen und städtischen Grundbesitz zu entsprechender Steuerleistung heranziehen. Nach schweren staatlichen Zusammenbrüchen ist es immer der Grundbesitz gewesen, der die Opfer der Wiederaufrichtung tragen mußte. Die Regierung erwartet, daß er auch jetzt seiner vaterländischen Ehrenpflicht genügt. Die Regierung wird aber dem Grundbesitz, damit er in den Stand gesetzt wird, solche Opfer zu tragen, die wirtschaftliche Freiheit zurückgeben. Hieraus allein wird eine Hebung der Produktion und der Staatsfinanzen erwachsen. Zugleich wird es ihre Hauptsorge sein, Minderbemittelte und Festbesoldete mit Nahrungsmitteln zu erträglichen Preisen zu versorgen.
  • Die Regierung wird Streiks und Sabotage rücksichtslos unterdrücken. Gehe jeder friedlich seiner Arbeit nach. Jede arbeitsfreudige Hand ist unseres nachdrücklichen Schutzes sicher. Streik ist Verrat am Volk, an Vaterland und Zukunft.
  • Die Regierung wird die Arbeiterschaft zum Zwecke der wirtschaftlichen Neuordnung in hervorragendem Maße zur Vorbereitung und zur tätigen Mitarbeit neben den anderen Berufs- und Erwerbsständen heranziehen. Sie wird nicht eine Regierung des einseitigen Kapitalismus sein, sie will vielmehr die deutsche Arbeit vor dem harten Schicksal der internationalen Verknechtung unter das Großkapital behüten und hofft, durch diese Maßnahmen der Staatsfeindschaft der arbeitenden Klassen ein Ende zu bereiten.
  • Die Regierung wird die bestehende Versicherungsgesetzgebung mit einem freiheitlichen Selbstverwaltungsrecht der Arbeiter ausstatten.
  • Die Regierung wird ein Heimstättengesetz für Stadt und Land bringen, welches jedem Deutschen den Zugang zum Grundeigentum und zum Eigentum überhaupt erleichtert.
  • Die Regierung wird dem seit den Novembertagen zurückgesetzten Beamtentum aller Grade wieder zu seinem Recht verhelfen und seine Interessen in jeder Hinsicht wahrnehmen. Dafür verlangt sie von ihren Beamten den alten Geist treuer Pflichterfüllung im Dienste des Gemeinwohls.
  • Die Regierung wird es als ihre heiligste Pflicht betrachten, den Kriegsbeschädigten und den Hinterbliebenen der gefallenen Krieger ihre wohlverdienten Bezüge in vollstem Maße sicherzustellen.
  • Die Regierung wird für die das Vaterland gegenwärtig mit der Waffe schützenden Soldaten und ihre Angehörigen nachdrücklich sorgen und ihnen gegen persönlichen und wirtschaftlichen Boykott jeden Schutz zuteil werden lassen. Das gleiche gilt für die Zeitfreiwilligen und die Angehörigen der Einwohnerwehr , Sicherheitswehr , Polizei , Gendarmerie und der Technischen Nothilfe.
  • Die Regierung wird die Freiheit der Kirchen gewährleisten und die nationale und religiöse Erziehung wiederherstellen.
  • Absplitterungsversuche vom Reich werden als Hoch- und Landesverrat standrechtlich erledigt. Wir sind stark genug, unsere Regierung nicht mit Verhaftungen und anderen Gewaltmaßregeln zu beginnen. Aber wir werden jede Auflehnung gegen die neue Ordnung mit schonungsloser Entschlossenheit niederschlagen.
  • Wir werden regieren nicht nach Theorien, sondern nach den praktischen Bedürfnissen des Staates und des Volkes in seiner Gesamtheit. Nach bester deutscher Überlieferung hat der Staat über allem Kampf der Berufsstände und der Parteien zu stehen. Er ist der unparteiische Richter in dem gegenwärtigen Kampf zwischen Kapital und Arbeit. Jede Klassenbevorzugung, sei es nach rechts oder nach links, lehnen wir ab. Wir kennen nur deutsche Staatsbürger. Jeder deutsche Staatsbürger, der in dieser schweren Stunde dem Vaterlande gibt, was des Vaterlandes ist, kann auf uns bauen.
  • Tue jeder seine Pflicht! Heute ist Arbeit die vornehmste Pflicht für jedermann. Deutschland soll sein eine sittliche Arbeitsgemeinschaft-
  • Die Farben der Deutschen Republik sind schwarz-weiß-rot!

Quelle: Berlin, 13. März 1920. DZA Merseburg, Rep. 90a Abt. D Tit. 11 Nr. 29 Bd.I, BI.ll. Unterzeichnet: Der Reichskanzler Kapp. WTB, Mitteilungsbl. v. 13. März 1920, Abend-Ausgabe.

Zur Unterdrückung des Generalstreiks drohte die Putschregierung rigorose Strafmaßnahmen an. Den konterrevolutionären Verbänden ( Einwohnerwehren, Sicherheitspolizei ) sicherten Kapp und Lüttwitz eine Tageszulage von 7 Mark und Entschädigungen in Höhe von 1000 bzw. 2000 Mark für Verwundungen im Kampf gegen die streikenden Arbeiter zu (vgl. Königsberger Hartungsche Zeitung v. 20. März 1920). –

(in Arbeitereinheit rettet die Republik  )