Lied einer schlesischen Weberin

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22. Mai 1847

Wenn’s in den Bergen rastet
Der Mühlbach stärker rauscht
Der Mond in stummer Klage
Durch’s stille Strohdach lauscht
Wenn trüb die Lampe flackert
Im Winkel auf dem Schrein
Dann fallen meine Hände
Müd in den Schoß hinein

So hab ich oft gesessen
Bis in die tiefe Nacht,
Geträumt mit offnen Augen
Weiß nicht, was ich gedacht
Doch immer heißer fielen
Die Tränen auf die Händ´ —
Gedacht mag ich wohl haben
Hat’s Elend gar kein End? —

Gestorben ist mein Vater, —
vor kurzem war’s ein Jahr —
Wie sanft und selig schlief er
Auf seiner Totenbahr
der Liebste nahm die Büchse
Zu helfen in der Not;
Nicht wieder ist er kommen,
Der Förster schoß ihn tot. —

Es sagen oft die Leute:
„Du bist so jung und schön
Und doch so bleich und traurig
Sollst du in Schmerz vergehn ?“
„Nicht bleich und auch nicht traurig!“
Wie spricht sich das geschwind
Wo an dem weiten Himmel
Kein Sternlein mehr ich find´

Der Fabrikant ist kommen
Sagt mir: „Mein Herzenskind
Wohl weiß ich, wie die Deinen
In Not und Kummer sind
Drum willst Du bei mir ruhen
Der Nächte drei und vier
Sieh dieses blanke Goldstück!
Sogleich gehört es Dir“

Ich wußt nicht, was ich hörte –
Sei Himmel du gerecht
Und lasse mir mein Elend
Nur mache mich nicht schlecht!
0 lasse mich nicht sinken!
Fast halt ich’s nicht mehr aus
Seh‘ ich die kranke Mutter
Und’s Schwesterlein zu Haus!

Jetzt ruh’n so still sie alle
Verloschen ist das Licht
Nur in der Brust das Wehe
Die Tränen sind es nicht
Kannst du, o Gott, nicht helfen
So laß uns lieber gehn
Wo drunten tief im Tale
Die Trauerbirken stehn!

Text: Louise Aston: Geboren 1814 bei Halberstadt. 1846 und 1848 wegen fortschrittlicher politischer Betätigung aus Berlin ausgewiesen. Gestorben 1871 am Bodensee. Ihre Werke — zwei Gedichtbändchen und drei Prosawerke — erschienen sämtlich zwischen 1846 und 1849.