Die Situation in Franken

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3. Mai 1476

In Franken sehen wir einen ersten bedeutenden Ausbruch im Jahre 1476. Der eigentliche Grund dazu war Erbitterung über die immer höher gesteigerten Abgaben und Haß gegen die Geistlichkeit, deren gemeine und schmachvolle Verdorbenheit sie besonders hier zum Gegenstand des Spottes, allgemeiner Verachtung und allgemeinen Unwillens gemacht hatte. Die letzten Bischöfe zu Würzburg, die sich die Herzoge in Franken nannten, hatten einer wie der andere fast wie gewetteifert, das Material zu diesen Gesinnungen und zu einem Ausbruch aufzuhäufen. Die Hussitenkriege hatten die besten Kräfte des Landes verschlungen, der Bischof Johann Bruna lebte trotzdem wie ein Fürst des Morgenlandes in salomonischer Pracht und Verschwendung; während das Volk darbte und seufzte, rauschte es von Festen am Hofe, der ein Sammelplatz von Schmeichlern und Nepoten, von Maitressen und ihren Kindern war, an die er auf das leichtsinnigste die Einkünfte des Landes vergeudete.

Sein Nachfolger, Johann von Grumbach, erschöpfte das geschwächte Volk noch mehr durch unglückliche Fehden mit dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg, und der diesem auf den Bischofsstuhl folgende Siegmund, aus dem Herzogshause Sachsen, war von seinem Vater und seinen Brüdern dem geistlichen Stande darum gewidmet worden, ,,weil er in der Vernunft etwas irrig und ungeschickt war“.

So waren Land und Leute ,,durch schlechte Regierung, durch vielfältige Steuer, Abgaben, Fehden, Feindschaft, Krieg, Brand, Mord, Gefängnis und dergleichen schon im Jahre 1443 in große Armut gekommen; niemand vermochte dessen, so ihm der Allmächtige bescheret, weder zu rechtem Wert und Nutzen selbst zu gebrauchen noch anderen sonst füglich etwas zuzuwenden. Und daß in der nächsten Folge die Dinge gut geworden wären, dazu fehlte es sehr weit. Denn kriegen, brennen, rauben, würgen, fangen, stocken, pflöcken, schätzen viel und ärger, heftiger ward, denn vorhin gewesen.“ So schildert ein fast gleichzeitiges Manuskript in dem Würzburger Archiv die Lage des Landes.

Der dunkle Drang nach besserer geistiger Speise, nach einem würdigen religiösen Zustande, der sich seit lange im Volke regte, kam noch hinzu. Es war wesentlich ein politischer Umwälzungsversuch, aus politischen Ursachen, aber wie einst das Schwert unter Myrtenzweigen, so wurde hier .die politische Tendenz unter religiöser Schwärmerei versteckt. Aber was von denen, welche die Volksbewegungen immer nur aus dem Protestantismus ableiten wollen, nicht zu übersehen ist, diese religiöse Schwärmerei hatte durchaus nichts Protestantisches an sich, sondern war in ihren Grundzügen und in ihrer ganzen Färbung rein katholisch.

in: „Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg“ – geschrieben im Sommer 1850, zuerst in: „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“, Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850, von Friedrich Engels zuletzt bearbeitet 1875.