Der Kampf geht weiter!

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27. März 1920

Der vorzeitige Abbruch des Generalstreiks trägt seine Früchte. Der Gewerkschaftsbund mit Legien an der Spitze, die Berliner Gewerkschaftskommission mit Rusch als Vorsitzendem und die USPD mit ihrem rechten Flügel, die geglaubt haben, den Sieg der Arbeiterklasse in der Tasche zu haben, merken jetzt, daß nicht nur sie die Arbeiterklasse geprellt haben, sondern daß sie selbst geprellt worden sind. Ihre „Friedensbedingungen“ mit der Regierung EbertBauer , hinter der ein Schwanz von Schiffer bis Kapp hängt, sind nicht erfüllt. Die Kappisten beherrschen noch die Stadt und das Reich. Sie sind im Besitze der gesamten Machtmittel des preußischen Militärs. In Streifzügen gegen die rebellischen Arbeiter durchziehen sie das Land, Blutbäder anrichtend und neue Arbeitermassaker vorbereitend. Als „verfassungstreue“ Truppen kämpfen sie jetzt gegen die bewaffneten Arbeiter, die in ihren Händen durch ihre Bewaffnung, durch ihre Arbeiterräte die Garantien gegen die Wiederholung der Militärdiktatur halten.

Die Gewerkschaftsbürokratie glaubte, genügend Macht gezeigt zu haben, indem sie den Generalstreik durchführte. Ruhig blies sie den Generalstreik ab. Das rächt sich jetzt. Der Kampf muß weitergeführt werden im ganzen Reiche, vor allem aber in Berlin. Es hieße die gefallenen Opfer verleugnen, es bedeutete einen Dolchstoß in den Rücken der bewundernswürdig mutigen Bergarbeiter im Ruhrrevier, in Chemnitz , Thüringen , wenn die Arbeiterschaft in Berlin, wenn die Eisenbahner, die Beamten, Angestellten ruhig zusehen würden, daß man die Baltikumer aller Schattierungen auf die Eisenbahnzüge setzt, in das Ruhrgebiet schickt, um dort ein Blutbad unter der Arbeiterschaft anzurichten und um nachher mit gesteigerter Macht und mit Siegesbewußtsein die Diktatur auch in Berlin aufzurichten.

Der Kampf muß weitergeführt werden, um zu verhindern, daß auf diesem Umwege die Baltikumer ihren Sieg herbeiführen. Man muß dem Gewerkschaftsbund zeigen, daß, wenn er auch umfällt und bereit ist, mit der Bourgeoisie einen Friedensschluß zu machen, die Arbeiterschaft, die Beamten und Angestellten dagegen nicht gewillt sind, sich um die Früchte ihrer gewaltigen Anstrengung seit dem 13. März prellen zu lassen. Wir sind sicher, daß in diesem Willen keine Unterschiede in der Arbeiterschaft, bei den Angestellten und Beamten sich zeigen werden, daß sie einmütig, wie sie den Generalstreik geführt haben, auch einmütig die Ziele dieses Kampfes sichergestellt zu sehen wünschen.

Aus dieser Situation heraus erwächst für die Kommunistische Partei die Aufgabe, die Einheitsfront des Kampfes im Kampfe selbst zu erhalten. Freilich, wir wollen damit nicht sagen, daß in der Arbeiterschaft, bei den Angestellten und Beamten keine Verschiedenheit der Auffassungen über den Weg der Befreiung der Arbeiter wie auch über das Ziel vorhanden sind. Wir Kommunisten sind jetzt davon überzeugt, daß die Arbeiterschaft nicht eher aus der Knechtschaft, aus dem Elend herauskommen kann, bis sie die politische und wirtschaftliche Macht selbst in den Händen hat, bis sie nicht rücksichtslos die Bourgeoisie und die Junker aus ihren wirtschaftlichen Machtpositionen geworfen hat.

Deswegen stehen wir der bürgerlichen Demokratie grundsätzlich ablehnend gegenüber, der Demokratie, die auf parlamentarischem Wege die soziale Revolution verfälscht und unmöglich macht. Diese Auffassung können wir aber der Arbeiterschaft nicht durch theoretische Diskussionen heibringen. Die Arbeiterklasse muß sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit der proletarischen Diktatur aus ihren Erfahrungen selbst holen. Solange sie diese Erfahrungen in ihrer Mehrheit nicht hat, ist sie auch nicht fähig, die politische und wirtschaftliche Macht zu ergreifen, sie zu handhaben und sie als ein Bollwerk gegen die Anstrengungen der ganzen Konterrevolution zu verteidigen.

Unsere Aufgabe ist, den proletarischen Massen, den Arbeitern und Angestellten, Landarbeitern und Kleinbauern ihre politischen Aufgaben bewußt zu machen. lhre Illusionen über die bürgerliche Demokratie müssen durch die Tätigkeit der bürgerlichen Demokratie selbst zuschanden gemacht werden. Der Militärputsch von Kapp und Lüttwitz hat ihnen die Konsequenzen der bürgerlich-sozialistischen Koalition vor Augen geführt.

An den Früchten dieser Koalition, an dem Putsch vom 13. März, an den weitergehenden Kämpfen haben nie gesehen nicht nur wie ein Noske-Regiment entstand, sondern auch, wieviel Opfer es forderte, um dieses Regiment zu Boden zu schlagen. Eine Sicherung gegen eine Wiederholung des Noske-Regiments wie seiner Nachfolger Kapp – Lüttwitz ist ein entscheidender Bruch mit der bürgerlich-sozialistischen Koalition, ein Bruch mit der Bourgeoisie. Das Ausscheiden der Bourgeoisie aus der Regierung kann nur durchgeführt werden durch die konsequente Entwaffnung der konterrevolutionären, arbeiterfeindlichen Truppen, Sicherheits- und Einwohnerwehren, kann nur gesichert werden durch die Bewaffnung des Proletariats, durch den Aufbau der Organe der Arbeiter, Beamten und Angestellten, in den Betriebs- und Arbeiterräten.

Aber freilich, auch umgekehrt, die Bewaffnung der Arbeiterschaft und die Entwaffnung der militärischen Stützen der Bourgeoisie kann nur durchgeführt werden, wenn die Bourgeoisie keinen Einfluß auf die Führung der Staatsgeschäfte hat. In diesen Zielen ist die Einheitsfront des Proletariats vorhanden.

Es bedeutet nicht, daß wir glauben, daß durch das Ausscheiden der Bourgeoisie aus der Regierung schon die Möglichkeit des kommunistischen Aufbaus der Gesellschaft vorhanden sei und die Diktatur des Proletariats nun aufgerichtet werden könne. Wir wissen ganz genau, daß diese Arbeiterregierung, getragen vom Vertrauen großer Schichten der Beamten, Angestellten und Arbeiter, die verschiedene Stadien des politischen und des Klassenbewußtseins darstellen, keine einheitlichen Wege und Ziele haben kann, vor allem aber zu keiner konsequenten kommunistischen Politik sich aufzuraffen imstande sein wird.

Aber weil ihre Existenz vom Vertrauen der Arbeiterschaft abhängt, so wird sie nicht imstande sein, eine Diktatur der Bourgeoisie aufzurichten, sie wird ein Mindestmaß der Orgadsations- und Kampffähigkeit der Arbeiterschaft sicherstellen müssen, sie wird nicht den Boden zerstören dürfen, auf dem die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Auffassungen der Arbeiterschaft durchgeführt werden kann, oder sie wird untergehen.

Auf diesem Boden kann die Kommunistische Partei die Arbeiterschaft für ihre Losungen und Ziele sammeln, sie organisieren, ihre soziale und politische Macht steigern, um den erwünschten Reifegrad des Proletariats auf dem schnellsten Wege zu erreichen. Deswegen muß der Kampf so weit geführt werden, bis die Arbeiterschaft bewaffnet, die Bourgeoisie ent-waffnet und von den Machtpositionen des Staates ausgeschaltet ist.“

,Die Rote Fahne“ zur Herstellung der Einheitsfront Im Kampf um eine Arbeiterregierung Berlin, 27. März 1920. Leitartikel. —  Vgl. hierzu auch den Leitartikel »Die Bewaffnung“ in: Die Rote Fahne v. 28. März 1920. — Im Leitartikel der ,,Roten Fahne“ vom 26. März 1920 wurde die Bildung einer Arbeiterregierung als der wirkliche Ausdruck des derzeitigen Wollens und des derzeitigen Kräfteverhältnisses des Proletariats charakterisiert. —
in Arbeitereinheit rettet die Republik (1970)