Bürgmeister von Ahlen an den Landrat über den Beginn des Aufstandes

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14. März 1920

„Das Bekanntwerden des Sturzes der Regierung EbertBauer verursacht im hiesigen Stadtgebiet unter Arbeitern und Bürgerschaft eine bestürzte Stimmung. Abends um 8 Uhr hatten die Vertrauensleute der sozialdemokratischen Partei eine Sitzung, zu welcher sämtliche Vertrauensmänner der übrigen Parteien geladen waren, einberufen. Die Arbeiterschaft stand geschlossen, ungeachtet ihrer sonstigen Zugehörigkeit zu dieser oder jener Partei, der Kappschen Regierung ablehnend gegenüber.

Abends um 1/2 10 Uhr erschien bei mir eine Abordnung bestehend aus etwa 10 Mitgliedern, die von der Vertrauensmännerversammlung gewählt war, um die Stellung der Stadtverwaltung zur Kappregierung festzustellen. Ich nahm sofort wahr, daß die Arbeiterschaft von großem Mißtrauen gegen die hiesige Stelle erfüllt war; die Vertrauensmänner zweifelten, daß ich keine Anweisung bezw. Verhaltensregel von der Kappschen Regierung erhalten habe. Die Arbeiterschaft befürchtete, durch das Aufkommen der Kappregierung um all ihre erworbenen Rechte gebracht zu werden, und gab daher an, geschlossen wie ein Mann sich gegen diese Regierung zu stellen. Der Zweck der Vertrauensmänner war außerdem, im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung die Besetzung der Post, Bahn und Banken vorzunehmen. Auch wünschte sie eine Beaufsichtigung der Stadt — vornehmlich der Polizeiverwaltung.

Es gelang mir, den Leuten die Bedenken zu zerstreuen, worauf sie auch von der Besetzung aller Behörden mit Ausnahme der Postverwaltung Abstand genommen haben. Am Sonntagvormittag fand im hiesigen Schützenhofe eine sehr stark besuchte Volksversammlung statt, in welcher ein Arbeiterrat bestehend aus 10 Mitgliedern gewählt wurde. Die Menge zog vor das Rathaus und durch den gewählten Arbeiterrat wurde gefordert, daß ich vom Balkon des Rathauses eine Erklärung abgeben solle, daß die Stadtverwaltung auf dem Boden der Verfassung und hinter der alten Regierung stehe. Trotzdem ich diese Versicherung am Vorabend der gewählten Kommission auch dem Arbeiterrat bereits abgegeben hatte, wiederholte ich, der Gewalt nachgebend, diese Erklärung vom Balkon des Rathauses der Menge gegenüber abermals.

Auf dem Rathausplatz waren etwa 2 1/2 – 3.000 Menschen versammelt. Aus der Menge heraus wurde dringend die Heraushängung der roten Fahne gefordert, was auch geschehen mußte. In dem Arbeiterrat waren Mitglieder des Zentrums, SPD und USPD vertreten. Die Mehrzahl gehörte der USPD an. Der Arbeiterrat wählte aus seiner Mitte … einen Vollzugsrat, der im Einvernehmen mit dem Arbeiterrat im Rathaussitzungssaal Beratungen abhielt. Die Abhaltung der Versammlung sowie Bildung des A.Rates und dergl. ist ohne Zutun der hiesigen Verwaltung erfolgt. Der Sonntag verlief sonst ruhig.“

Bericht über die ersten Tage nach dem Kapp-Putsch in Ahlen, verfasst am 15. April 1920 durch den dortigen Bürgermeister Corneli für den Landrat in Beckum ( STAM Kreis Beckum Nr. 73 )