Sedlmaier und die Brüder Altmann in München erschossen

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2. Mai 1919

Der Hilfsarbeiter Josef Sedlmaier wurde am 2. Mai 1919 in seiner Wohnung, Winterstr. 8 II, München verhaftet. Sedlmaier war niemals bei der Roten Armee und hatte niemals an Kämpfen teilgenommen. Er hatte lediglich 14 Tage bei der Arbeiterwehr Sicherheitsdienst gemacht und sein Gewehr am 27. April eingeliefert.

Nach den staatsanwaltschaftlichen Akten, A.V. XIX 1254/19, hat der betreffende Leutnant Möller, bayrisches Schützenregiment 21 , die Festnahme angeordnet, „weil er (Sedlmaier) mir nicht beweisen konnte, daß er sein Gewehr wirklich schon am 27. April abgeliefert habe.“ Zu gleicher Zeit wurden die im gleichen Hause wohnenden Gebrüder Altmann festgenommen. Nach den Angaben eines „unbekannten, nicht ermittelten Polizeiorgans“ waren sie „gefährliche Spartakisten“.

Die drei Verhafteten wurden einer „Standgerichtskommission“ unter Vorsitz eines Hauptmannes vom 1. bayrischen Schützenregiment vorgeführt und zum Erschießen bestimmt. Sie wurden in den Hof einer Lederfabrik , Pilgersheimer Str. 39 , geführt; als sie dort einen bereits Erschossenen liegen sahen, begannen sie auseinanderzulaufen. Darauf wurden alle drei wegen Fluchtgefahr erschossen.

Der Tumultschadenausschuß konstatiert aus den staatsanwaltschaftlichen Akten, daß alle Zeugen bezüglich des Sedlmaier nichts Belastendes bekundet haben. Schriftliche Aufzeichnungen über das „standgerichtliche“ Verfahren wurden nicht gemacht. Der betreffende Hauptmann, der das „Standgericht“ leitete, erklärte zu den Akten:

„Ich habe in den ersten Tagen des Mai auf Grund von Angaben der Kriminalpolizei und von Vertrauenspersonen soviele Verhaftungen vornehmen lassen, daß ich mich unmöglich auf die Namen von Festgenommenen besinnen kann; auch kann ich nicht angeben, ob Sedlmaier und die beiden Altmann mir vorgeführt wurden, oder ob sie auf dem Wege zu mir erschossen wurden, weil sie einen Fluchtversuch machten.“

Das Verfahren gegen Möller wurde eingestellt. Von einem Verfahren gegen den Hauptmann oder gegen die Soldaten, die die Erschießung vornahmen, ist nichts bekannt geworden, obwohl der Staatsanwaltschaft nach eigener Mitteilung die Namen bekannt sind.

Der Tumultschadenausschuß billigte der Witwe, welche zwei minderjährige Kinder hat, eine kleine Rente zu. Hiergegen legte der Reichskommissär bei dem Tumultschadenausschuß Beschwerde zum Reichswirtschaftsgericht ein. Dieses hob den Beschluß auf und wies den Anspruch auf Entschädigung ab. In dem Beschluß heißt es:

„Zunächst ist der Schaden in keinem Falle durch offene Gewalt verursacht. Denn die vollstreckende militärische Stelle hat, wie auch der Fall gelagert gewesen sein mag, stets amtliche Befugnisse ausüben wollen. Selbst ein Mißbrauch und eine Ueberschreitung von Amtsbefugnissen kann niemals als offene Gewalt angesprochen werden. Weiter aber ist auch in keinem der möglichen Fälle der Tod durch die Abwehr der offenen Gewalt der Spartakisten unmittelbar verursacht worden. Sedlmaier wurde durch seine Verhaftung dem Kreise der gegen die Spartakistenherrschaft eingesetzten unmittelbaren Abwehrmaßnahmen entrückt. In diesem Augenblick begann für ihn die Abwicklung eines außerhalb der unmittelbaren Gewaltabwehr liegenden besonderen strafrechtlichen Verfahrens . . .“

Nunmehr hat die Witwe eine Klage gegen den Militärfiskus beim ordentlichen Gericht eingereicht.

in: Vier Jahre Politischer Mord , von Emil Julius Gumbel , eine Broschüre, in denen der Autor der Justiz etwa 300 ungesühnte politische Morde – in der Regel von rechts – in den Jahren 1918-1920 nachweist, veröffentlicht 1922: „Die höchste zuständige Stelle, der Reichsjustizminister, hat meine Behauptungen mehrmals ausdrücklich bestätigt. Trotzdem ist nicht ein einziger Mörder bestraft worden. “ –