Zwanzig Tote und 140 Verwundete in Halle

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19. März 1920

Halle , Freitag, den 19. März. Das Militär zog sich in der Nacht vom Marktplatz zurück. In den Straßen der Stadt schien in den Vormittagsstunden Ruhe einzutreten. Plötzlich rückte das Militär wieder bis zum Theater vor und sperrte alle Straßen ab, und es setzte eine wilde Schießerei ein. Der Aktionsausschuß proklamierte die Weiterführung des Generalstreiks, bis die tags zuvor aufgestellten Forderungen erfüllt seien. Vor Ammendorf lagen Arbeiter und Militär im Kampf. Auf beiden Seiten gab es mehrere Tote.

Die Gewalttätigkeiten der Zeitfreiwilligen forderten .wieder mehrere Opfer. In den Vormittagsstunden wurde der Volkspark von der Oberrealschule am Wettinerplatz aus heftig bechossen und von einer Kompanie unter der Führung des Grafen Westarp ,,gestürmt“. Einige Arbeiter kamen dabei ums Leben. Bei aller Objektivität muß festgestellt werden, daß dieser Angriff völlig ungerechtfertigt war. Im Volkspark sollte die Einreihung der Arbeiter in die Einwohnerwehr vorgenommen werden, und niemand hatte das Recht, diesen Vorgang zu stören.

Auch das Gewerkschaftshaus wurde emeut ohne jeden Grund von einer Horde Soldaten durchsucht.  Die unsinnige Schießerei der Soldateska hatte in diesen Tagen bereits 20 Tote und 140 Verwundete gefordert. Aus allen umliegenden Orten zogen nun Arbeiter heran, um Halle von der Willkürherrschaft des meuternden Militärs zu befreien. An vielen Punkten, besonders in der Nähe des Waisenhauses und in einigen Vororten, kam es zu heftigen Kämpfen. Die Hauptstützpunkte der Truppen waren die Artilleriekaseme , die Franckeschen Stiftungen , die Moritzburg, Post ,  Stadttheater, Kirchtorgefängnis , Reilkaseme und die Städtische Oberrealschule am Wettinerplatz. Langsam schloß sich der Ring der revolutionären Arbeitertruppe um die Stadt. Sie stand in Seeben , Lettin , Nietleben , Passendorf , am Bahndamm beim Rosengarten, in Trotha und Seeben und rückte, ihre Reihen andauernd verstärkend, langsam vor. Bei einsetzender Dunkelheit schien das Militär toll geworden zu sein.  An allen Ecken und Enden der Stadt knatterten Maschinengewehre. Das Feuer wurde von der bewaffneten Arbeiterschaft, die für die Verfassung kämpfte, erwidert.

in: Volksblatt Halle , vom 31. März 1920, Beilage: „Vierzehn Tage ohne Zeitung. Ein Rückblick auf die Märztage in Halle. “ zitiert nach Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch (2002 . S. 718f)

„Ab dem 19. März 1920 kam es dann zu schweren Kämpfen zwischen aus der halleschen Umgebung zusammengezogenen Arbeiterwehren und der Reichswehr. Hauptsächlich im Süden der Stadt, am Rosengarten und im Bereich Wörmlitz/Böllberg kam es zu stellungskampfartigen Auseinandersetzungen. Auch an anderen Stellen der Stadt wurde in diesen Tagen zwischen der ca. 2000 Mann starken Truppe der Putschgegner und der Czettritz-Truppe gekämpft, so u. a. in der Reilstraße, am Steinweg, auf dem Markt und in der Burgstraße. Die Arbeitertruppe konnte augenscheinlich weitere Erfolge verzeichnen, denn Melder des Garnisonskommandos wollen sie in verschiedenen Straßen der Innenstadt gesichtet haben.“ ( Olaf Freier )